You have created a monster, and it will destroy you!
James Whales legendärer Horror-Film ist Einblick in eine Zeit der Zweifel. Die Religion ist am Ende und die Straßen voll von selbstgerechten Menschen, die kein Vertrauen mehr in das Justizsystem ihres Staates haben. Die human-morphologischen Wissenschaften stecken gerade in ihren Kinderschuhen und symbolsieren wie kaum ein zweites Wissensgebiet auf eindringlichste Weise die Sterblichkeit des eigenen Ichs und verängstigen die meisten Menschen. Im Kontext dieser finsteren Zeiten entwirft Whale mit seiner morbiden Adaption von Peggy Webblings Theaterstück (das wiederrum Mary Shelleys weltberühmten Roman adaptierte) ein expressionistisches Gesamtkunstwerk, ein pechschwarzes Portrait vergangener Zeiten, dessen Bedeutsamkeit sich gleichermaßen aus seinen stilprägenden Versatzstücken und der weiterhin aktuellen Grundthematik erschließt. Fernab der Zivilisation verbarrikadiert sich Henry Frankenstein in seinem Schloss, dessen metaphorische Struktur ebenso unberechenbar, verwinkelt und voller Geheimnisse ist wie der Geist seines Bewohners und dem wahnsinnigen Vorhaben, dem er nachgeht. Sein Geschöpf vermittelt auf intensiv-tragische Art das Unglück, das ihm in seiner unnatürlichen Erschaffung wiederfahren ist. Missverstanden und verstoßen ringt es mit kindlicher Naivität um seine Akzeptanz in einer archaischen Gesellschaft, was sich gleichzeitig in der Szene mit dem von Blüten bedeckten Teich subtextuell manifestiert und inhaltlich zur Eskalation der Situation führt. Er ist ein Opfer der Gesellschaft, die ihn erschaffen hat – wie sein Schöpfer; und so entsteht zwischen ihnen beiden eine Verbundenheit, die nichts mehr trennen kann. Schlussendlich gipfelt der destruktive Wahn der Selbstjustiz im bedeutungsschwangeren Mühlenbrand: Aus Angst vor Veränderung wird alles vernichtet, was damit zu tun hat. Frankenstein erschuf – in seiner Gier nach der Allmacht – mit dem Monster die düstere Auslegung seines menschlichen Ebenbildes, so, wie es Gott einst mit dem Menschen getan hat. Gott ist tot. Es lebe Gott.
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