If you figure a way to live without serving a master, any master, then let the rest of us know, will you? For you’d be the first person in the history of the world.
„TAXI DRIVER meets cult“ waren tatsächlich meine ersten Gedanken zum neuesten Streich des 1970 geborenen Regisseurs Paul Thomas Anderson, und die Leben der Protagonisten beider Filme weisen wirklich erstaunliche Parallelen auf, was selbstverständlich primär auf ihre (zeitlich versetzte) Kriegsvergangenheit zurückzuführen ist. Travis Bickle und Freddie Quell (erschreckend intensiv: Joaquin Phoenix) werden beide von post-traumatischen Symptomen geplagt, sind im tiefschwarzen Schlund sozialer Isolation gefangen, den sie mit Drogen und dem Erfüllen instinktiver Bedürfnisse zu verdrängen suchen und nicht fähig zu lieben. Somit präsentiert sich THE MASTER tatsächlich weniger als die erwartete Scientology-Dekonstruktion sondern mehr als waschechtes Veteranen-Drama.
Zwischen diesen thematischen Ankerpunkten spannt das Autorenkino-Wunderkind eine inhaltliche Brücke aus Größenwahn: Ab dem Zeitpunkt, in dem der krankhaft alkoholsüchtige Freddie auf das ebenso obsessiv veranlagte Multi-Talent Lancaster Dodd (unvorhersehbar erruptiv: Philip Seymour Hoffman) trifft, macht das Werk eine überraschende Kehrtwende und verwandelt sich vom reinen Post-Kriegs-Film zur kryptischen Analogie eines universellen Meister-Lehrling-Prinzips, das auf animalische Zügellosigkeit und matriarchaische Kraft trifft. Was viele als wunderbar ambitioniert betiteln würden, werden ebenso viele wohl als erschreckend überfrachtet empfinden. Und obwohl THE MASTER in seiner tieferen Bedeutung erfrischend komplex daherkommt, so facettenarm ist er überraschenderweise im sonst so einwandfreien Gesamtbild, das der gebürtige Kalifornier kreiert.
Womöglich ist der erstmals am 1. September 2012 veröffentlichte Film ein Werk, das hauptsächlich an der überhöhten Erwartungshaltung seiner Rezipienten scheitern wird. Von einem solch vielversprechenden Regisseur wie Anderson erwartet man eben nicht weniger als einen herausragenden Film. Und auch, wenn dieses meist positiv behaftete Adjektiv durchaus auf THE MASTER zutrifft, stellt er in Relation zu seiner bisherigen Filmographie leider die erste wirklich inhomogene Arbeit dar.
Seine gewohnt erstklassige Kinematographie und die beeindruckenden schauspielerischen Leistungen (welche jedoch von einer unausgewogenen Figurenzeichnung gebremst werden) können leider nur partiell den suboptimalen Gesamteindruck heben, für welchen auch zu einem Großteil die bewusst zähe Dramaturgie und Narration verantwortlich ist, welche mehr als einmal anstrengend auf der Stelle tritt. Trotz seiner originellen, und gleichzeitig etwas sperrigen Semiotik ist THE MASTER in seinem philosophischen Prinzip der Weltanschauung leider ebenso restaurativ wie seine ambivalenten Protagonisten.
Schön geschrieben, allerdings schätze ich den Film doch um einiges besser ein. Meine Review gibt es dann pünktlich zum Kinostart am Donnerstag
Mich hatte jedenfalls überrascht, dass die Sekten/Scientology-Thematik, die in den Medien ja sehr oft und übermäßig die größte Rolle um die Berichterstattung zu „The Master“ gespielt hat, doch gar nicht im Mittelpunkt des Films steht.
Im Mittelpunkt steht der alleine durch die Welt irrende Kriegsveteran, den Phoenix auf eine einzigartige Art und Weise verkörpert, und diese Wahl gefiel mir außerordentlich gut.
Letztlich bleibt THE MASTER ein Film, der aufgrund seines sehr speziellen Stils polarisieren wird. Inhaltliche Komplexität oder herausragende Kinematographie spreche ich ihm gar nicht ab, sondern kann mit diesem sehr sperrigen Inszenierungsstil wenig anfangen.
Mich störte außerdem, dass der tendenziell eintönige Freddie die meiste Zeit im Fokus war und nicht der interessantere (weil: sich mehr entwickelnde) Lancaster.
Das fand ich wiederum sehr konsequent, dass Freddie von Anfang bis Ende die klare Bezugsperson bleibt, die sich im Grunde nicht ändert – und damit nimmt der Film für mich auch eine klare Position gegenüber solchen Sekten und Kults ein, ohne dass es zu plakativ daherkommt.
Aber ich gestehe ein, dass „The Master“ alles andere als zugänglich ist. Diese, ich sag mal mehr Mainstream-lastige Inszenierung erwarte ich von P. T. Anderson allerdings auch nicht. Seine Film unterhalten mich auf ganz anderen Ebenen hervorragend – aber das ist, wie ja ohnehin immer, ein ganz subjektiver Eindruck.
Anderson bezieht doch zu keinem Zeitpunkt eine konkrete Stellung. Er zeigt – und das ist gut so – objektiv auf, und verteufelt oder verherrlicht bis zum Ende nichts. Gerade Freddie wird am Ende zum menschlichen Symbol der Konsequenz eines solchen Weltbilds, und wird seinerseits ebenfalls zum „Master“.
Dass es sich bei Anderson um keinen herkömmlichen Mainstream-Regisseur handelt, steht natürlich außer Frage. Meine Kritikpunkte beziehen sich auch hauptsächlich auf seinen (bewusst so gewählten) Erzählstil, der mir überhaupt nicht gefällt. Wenn jemand eine derart radikale Erzählweise verwendet, dann muss er schlicht mit einer polarisierenden Rezeption rechnen.
Weiterhin gefiel mir nicht, dass Freddie als einzige richtige Bezugsperson viel zu monoton gezeichnet wurde. Dass seine beinahe nicht vorhandene Entwicklung auch eine Bedeutung hat, dessen bin ich mir natürlich bewusst, er hätte ihn jedoch nicht als Charakter-Konstante verwenden dürfen, denn dafür bleibt er zu uninteressant und belanglos. Ganz abgesehen davon, dass Anderson dem Nachkriegs-Charakterdrama überraschenderweise beinahe nichts Neues hinzuzufügen hat. Nahezu sämtliche Inhalte hat Martin Scorsese bereits vor dreißig Jahren mit TAXI DRIVER abgearbeitet, um nur mal einen thematisch ähnlichen Film zu nennen.
THE MASTER konzentriert sich fast ausschließlich auf das ebenfalls altbekannte Meister-Lehrling-Prinzip, welches zwar kinematographisch gewohnt erstklassig behandelt wird, inhaltlich aber auch nicht gerade besonders innovativ ist.
Er hätte den Charakter-Fokus womöglich lieber mehr auf den dualistischen Lancaster Dodd richten sollen, der wesentlich mehr Projektionsfläche für den Zuschauer bietet und überdies auch unter psychologischen Gesichtspunkten – würde er denn mehr beleuchtet werden – relativ interessant wäre. Oder aber das nähere Ausleuchten der Mechanismen moderner Sekten, ohne natürlich konkret Stellung zu beziehen. All das hätte mir persönlich mehr gefallen als dieser zähe Brocken von einem Film. Letztlich ist das mit dem Mögen oder Nichtmögen des Inszenierungsstils dann natürlich rein subjektiv, wie Du schon richtig dargestellt hast.
Ich hoffe, das fundiert meine Kritik nun noch einmal mehr und überzeugt Dich davon, dass mich an dem Werk nicht nur stört, dass er nichts für den Mainstream-Zuschauer ist. 😉
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