Divine decadence darling!
CABARET zelebriert die therapierende Wirkung der Kunstform des satirischen Musicals in jeder Sekunde und verwendet im selben Moment verstörend dualistische Perspektiv-Montagen, um an den Wahnsinn und Schrecken des Faschismus‘ zu erinnern. Stets bestimmt das aktuelle Tagesgeschehen die lasziv-dekadenten Bühnenprogramme des surrealistisch eingefangenen Kit Kat Clubs im Berlin der 1930er-Jahre. Einfältige Bürger der Arbeiterklasse beginnen derweil, sich in fanatischen Gemeinschaften zu gruppieren, sprießen wie Giftpilze hervor und verpesten das ohnehin schon kritische Klima der deutschen Großstadt. Grausam der gefährliche Kontrast aus brutaler Gewalt und künstlerischer Ausgelassenheit, der anfangs nur vereinzelt, später jedoch omnipräsent auf die Leinwand tritt. Entgegen des Ur-Broadway-Stücks richtet Regisseur Bob Fosse neben den karikierenden Bühnenshows seinen Fokus auf die Beziehung zwischen Sally und Brian; beide fungieren als Archetypen für politische Identitäten. In einer frivolen Dreiecksbeziehung eskaliert das Kokettieren mit dem ideologisch oppositären Gegenüber schließlich – Pro und Contra, artifizielle Scheinwelten und Realität. CABARET ist ein Kind des Dualismus. So befreiend und eskapistisch Kunst auch ist, die Welt vermag sie leider nur in den seltensten Fällen zu verändern.