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Filmplakat

If you don’t stand for something, you’ll fall for anything.

Nach seinem „Watchmen“-Debakel geht Zack Snyder lieber auf Nummer sicher: Seinen Gewalt-Fetisch lebt er zwar noch genauso exzessiv aus wie Eh und Je, als (meta-)physisch zu vernichtende Feindbilder dienen diesmal jedoch ausschließlich gesichtslose Roboter, Steampunk-Nazis, Statuen oder wahlweise fiese menschliche Ober-Bösewichte, die idealerweise grässlich entstellt sind oder die falschen Ansichten haben. Das ist bis zur Lächerlichkeit überstilisiert, vollkommen Over-the-top und in seiner Verwendung zudem völlig redundant. So ist das Grundkonzept des Films schnell erkannt und spätestens dann bereits zur ermüdenden Routine geworden. Darin eingebettet werden Charaktere, die durchweg zu eindimensional bleiben und überdies so überzeugend spielen wie bei ihrem ersten Amateur-Porno.

Snyder inszeniert Holzhammer-Feminismus, wie er nur von einem sexistischen Mann stammen könnte. Er bricht die aufkommende Kraft seiner Protagonistinnen lediglich auf sexuelle Selbstbestimmung sowie Manipulation herunter und widerspricht mit seinem erzählerischen Konzept gleichzeitig dem Individualismus der Charaktere. Abgesehen von der zumeist stilsicher überhöhten Darstellung seiner Traumwelten gelingt es ihm nicht, über die ansonsten erstaunlich uninspirierte Haupt-Geschichte hinwegzutäuschen. Der gebürtige Amerikaner stolpert zwischen Traum- und Real-Welt hin und her, ohne eine auch nur annähernd sinnvolle Aussage treffen zu können. Tatsächlich drängt sich einem permanent der Gedanke auf, „Sucker Punch“ sei nichts anderes als ein stumpfer Gewalt-Porno im pseudo-feministischen Deckmantel pathetischer Belanglosigkeit. Der Versuch, diesen Fakt mit narrativen Verschachtelungskinkerlitzchen zu vertuschen, darf somit als peinlich-naives Mittel verstanden werden, Tiefe vorzugaukeln, wo keine vorhanden ist. Wo nämlich möglicherweise mehrere Interpretationsansätze nötig sein könnten, um den sinnlos-verkomplizierten Plot zu verstehen, ließe sich der archaische Subtext bereits in wenigen kurzen Sätzen zusammenfassen. Ein Film für Freunde sinnloser Rätsel also.

Anschließend kommt noch die beinahe lächerlich inhomogene Verwendung diverser popkulturell mehr oder minder bekannter Stücke hinzu, deren Bedeutung selbst dem klar sein sollte, der kaum des Englischen mächtig ist und fertig ist Ultra-Over-the-top-Action mit der zweckhaften Illusion von Tiefe Marke „Zack Snyder“. Womöglich sogar mit satirischer Prämisse, die entgegen seines sonstigen filmischen Habitus jedoch viel zu inkonkret wäre. Oder etwas anders formuliert: Nur, weil „Sucker Punch“ bewusst schlecht ist, heißt das noch lange nicht, dass er deshalb gleich gut ist, geschweige denn als Satire funktioniert.

 

3,0 / 10

Filmplakat

You’re my people and we have a code. You fight for the guy that’s fighting next to you.

Bobby (Denzel Washington) will zusammen mit seinem Gefährten Stig (Mark Wahlberg) nur noch diese eine Bank ausrauben, dann kann er mithilfe des Geldes als Beweis den legendären Drogenbaron Papi Greco (Edward James Olmos) hinter Gittern bringen. Mit dem einzigen Ziel sie zu zerschlagen, hat der alternde DEA-Agent im Auftrag seiner Vorgesetzten unbemerkt das empfindliche Netz der mexikanischen Rauschgift-Mafia infiltriert. Dass er dabei auch seinen treuen und talentierten Komplizen, den kleinkriminellen Stig, mit wird verhaften müssen, nimmt er ohne große Überlegungen in Kauf. Was er nicht weiß: Auch Stig ist im Auftrag eines staatlichen Vorgesetzten, nämlich der U.S. Navy, unterwegs, um Geld zu beschlagnahmen, das später dann für verdeckte Operationen verwendet werden soll. Was beide nicht wissen: Papi Greco war längst nicht der Einzige, der sein Geld in der beschaulichen Kleinstadt-Bank aufbewahrt hat. Kurz nach dem reibungslos verlaufenen Banküberfall sehen sich die beiden unfreiwilligen Partner drei bedrohlichen Großmächten gegenüber, welche nur eines wollen: die 43 Millionen US-Dollar, die Stig und Bobby schon längst nicht mehr besitzen.

Baltasar Kormákurs nunmehr neunte Regie-Arbeit versteht sich ganz eindeutig als spaßig-überzogenes Action-Spektakel, das einzig und allein durch die zwei Freunde wider Willen getragen werden soll. Glücklicherweise stimmt die Chemie zwischen Wahlberg, dem ehrgeizigen Jungspund, und Washington, dem alteingesessenen Traditionalisten, wodurch das Zweiergespann im Laufe des Films eine aufregende Dynamik entwickelt, welche durchaus als vorbildlich angesehen werden kann. Special-Effects, Kamera und Schnitt sind von grundsolider Machart, ohne jedoch jemals in irgendeiner Form eigene, innovative Wege zu gehen, was nicht schlimm, in Anbetracht des verschenkten Potenzials aber etwas schade ist. Das gleiche ließe sich auch vom von Clinton Shorter komponierten Soundtrack behaupten; selbstverständlich harmoniert er gut mit der Geschichte, aber im heutigen Einheitsbrei der genretypischen Filmmusik wirkt er durch seine kantenlose Struktur schon fast bieder.

Die Marine als korrupter Haufen skrupelloser Soldaten und die CIA als Ansammlung sadistisch veranlagter Anzugträger und Sonnenbrillen tragender Mitläufer: „2 Guns“ outet sich immer dann als lupenreine Comic-Verfilmung, wenn er sich seiner abgebrühten Schlagfertigkeit und seinen maßlos überzeichneten Posen hergibt. Seine zynische Kritik an staatlichen Militär-, Drogen- und Abhör-Institutionen wird dementsprechend auf prägnante aber grobschlächtige Simplizität heruntergestutzt, um der rasanten Dramaturgie nicht das Genick zu brechen.

Wenn man darüber allerdings hinwegsieht, inszeniert Kormákur ein zugegebenermaßen kurzweiliges Action-Feuerwerk, das mit spielfreudig aufgelegten Akteuren und einem gelungenen Pointen-Timing glänzen kann. Beständig wird die Spannung über die gesamte Laufzeit von 109 Minuten gehalten und ein absurd brutaler Clash of the Executive Forces auf geradezu exzessive Weise gefeiert. Thema seines Humors sind immer wieder die signifikante Unterschiede und das Gegeneinander-Ausspielen der völlig konträren Lebensphilosophien beider Protagonisten. Bei „2 Guns“ geht es auch um das Aufeinandertreffen von Helden-Generationen, zweier Waffen, die lediglich ihr gleicher Sinn für Gerechtigkeit eint. Von ihren gemeinsamen Feinden (und ehemaligen Vorgesetzten) dazu gezwungen, sich einander anzupassen, überwinden sie spielerisch oberflächliche Differenzen und besinnen sich auf ihre Stärken. Selbstverständlich ist die übrige Figurenzeichnung weit davon entfernt, in irgendeiner Weise vielschichtig zu sein, aber in Anbetracht der ohnehin schon simplen Vorlage kann man über diese Tatsache eigentlich gar nicht wirklich erbost sein. Glattgebügeltes und solide inszeniertes Action-Kino der harmlosen Sorte. Bleibt nicht im Gedächtnis, tut aber auch nicht weh.

 

5,0 / 10

 

Filmplakat

 

Angespannt trainiert Daniel Lugo (Mark Wahlberg) an einer Vorrichtung an der Wand seines Fitnessstudios. Nur noch zwanzig Sit-Ups, bis der Satz komplett ist. Plötzlich heulen Sirenen. Wie von einer Wespe gestochen reißt sich Lugo los und sprintet über die Dächer der Stadt Richtung Freiheit. Rückblende; ein paar Monate zuvor: Er hat gerade frisch eine Stelle als Trainer im örtlichen Sun Gym ergattert. Nun kann er also gleichzeitig Geld verdienen und währenddessen noch seinen Körper stählen, der American Dream scheint perfekt. Schnell jedoch schon beschleicht ihn das Gefühl, dieses wunderbar sonnige Leben würde ihn betrügen. So viele Menschen gibt es, die wesentlich mehr Geld haben als er und offenbar nichts dafür tun müssen. Dann kommt der auf Plakaten und im Fernsehen omnipräsente, manipulative Motivationstrainer Johnny Wu (Ken Jeong) ins Spiel, unablässig „Be a Do-er, don’t be a Don’t-er“ predigend – für Lugo die so erwartungsvoll ersehnte Schneeflocke, welche die Lawine in Gang setzt.

Schwerreiche jüdische Unternehmer, die ihr gesamtes Geld steuerfrei im Ausland bunkern, christlich-orthodoxe Bodybuilder-Sanftnaturen, erfolgreiche Geschäftsmänner mit kurvigen Ehefrauen – zugegeben: Michael Bays Interpretation einer Kapitalismus-Persiflage kommt nur allzu schablonenhaft und simpel daher, weiß aber nichtsdestotrotz mit seinem plakativen Humor gelegentlich zum Schmunzeln anzuregen und die Dynamik innerhalb seiner Figuren stets auf einem angemessenen Niveau zu halten, hin- und herpendelnd zwischen ulkiger Posse und brutaler Groteske. Immer wieder ergeht er sich in selbstreferentiellen Gags innerhalb seines eigenen Filmographie-Universums, möchte uns mitteilen, dass auch er selbst mittlerweile retrospektiv einen gereifteren Blick auf sein früheres Schaffen habe, was stellenweise als gelungen, oft jedoch auch schlicht als gescheitert betrachtet werden kann. Auf narrativer Ebene besinnt sich Bay auf eine klar strukturierte, mehrstufige Klimax, die immer wieder mit bündigen Flashbacks ausgestattet ist und die verkorkste Vergangenheit sowie persönliche Motive der Heist-Mitglieder beleuchtet.

Jeder Zentimeter mehr am Bizeps bringt Dich näher zu Deinem persönlichen Glück. Handle, verwirkliche Deinen Traum, beschäftige Dich! Vom Spargeltarzen zum Schwarzenegger – der American Dream in Form gestählter Physis. Selbstverständlich ist sich Michael Bay trotz seines bisherigen Œuvres, welches durchaus eine gegenteilige Vermutung nahelegen würde, absolut bewusst, dass Muskeln nicht gleich bedeutend mit finanziellem sowie gesellschaftlichem Erfolg sind und so führt er sein ulkiges Trio Infernal als stereotypische Karikaturen vor, die nach vollzogenem Coup nicht einmal genau wissen, was sie überhaupt wollen.

In typischer Hochglanz-Optik entführt uns Bay in eine grelle Welt voller Oberflächlichkeiten, in welcher Fleisch und Lust die größten Heiligtümer darstellen – in der seine Charaktere alles für die Verbesserung ihres Körpers tun. Seine drei Protagonisten – Daniel (Mark Wahlberg), Paul (Dwayne „The Rock“ Johnson) und Adrian (Anthony Mackie) – sind von höchst ambivalenter Natur und repräsentieren alle jeweils auf mehr oder minder unterhaltsame Weise eine Form des ur-amerikanischen Strebens nach persönlichem Glück. Dass der heute 48-Jährige, der noch nie für seine politische Weitsicht bekannt war, dabei jede Figur auf infantile, teilweise jedoch herrlich absurd inszenierte Klischees herunterbricht, um sich anschließend gebieterisch darüber lustig zu machen, ist in Anbetracht seines recht ausgewogenen Rundumschlags sicherlich noch zu verschmerzen. Was allerdings tatsächlich recht sauer aufstoßen lässt, ist seine pseudo-ironisch gemeinte Darstellung der Frau: Während es zumindest eine handvoll dominante männliche Charaktere gibt, reichert der gebürtige Kalifornier den Film auf der anderen (Geschlechter-)Seite ausschließlich entweder mit leicht bekleideten Videoclip-Model-Statisten oder vollkommen von Männern abhängigen Naivchen an, welche kaum in der Lage sind, auch nur einen vernünftigen Satz über die Lippen zu bringen. Wo hört Satire auf und wo beginnen persönliche Ideologien?

Leider verzettelt sich „Pain & Gain“ gelegentlich in seiner ausufernd angelegten Erzählspanne, wodurch der sonst über weite Strecken gefällige und angenehm schnelle Handlungsfluss hin und wieder gefährlich ins narrative Stocken gerät. Die Qualität des Humors schwankt beständig von „erstaunlich treffend und bissig“ zu „unnötig albern“ und ist somit leider für sich allein kein absolut sicherer Garant dafür, sich in Michael Bays abgedrehter Wohlstands-Groteske wohlzufühlen. Schlussendlich führt eine Seriennummer auf dem Brustimplantat eines der Opfer zur vollständigen Überführung der Täter. Das Symbol von (körperlicher) Substanzlosigkeit schlechthin wurde ihnen also schließlich zum Verhängnis. Wenn das mal keine gewitzte Pointe ist.

 

5,0 / 10

Filmplakat

America has his sick fascination with the ‚Bonnie and Clyde‘ kind of thing.

Schüchtern betritt Marc den neuen Klassenraum. Die Schüler um ihn herum tuscheln aufgeregt. Seine alte Schule musste er verlassen, weil er zu oft fehlte. Nun möchte er einen Neubeginn starten; mit Gleichgesinnten, die ihn zum Lernen motivieren, anstatt ihn davon abzuhalten. Dann trifft er auf Rebecca, die ebenso modebegeistert ist und später einmal ganz wie ihre großen Vorbilder Lindsey Lohan und Paris Hilton ein eigenes Fashion-Label gründen möchte. Joints werden herumgereicht, Smalltalk wird betrieben – schnell entwickelt sich zwischen den beiden Träumern eine tiefe Freundschaft, die Konsequenzen haben wird.

Höher, schneller, weiter – live fast and die young. Sofia Coppola („Lost in Translation“) inszeniert den Film der Generation „Yolo“ und erinnert dabei in vielerlei Hinsicht an Harmony Korines „Spring Breakers“. Zwischen der Leidenschaft des Konsums und der nächsten Dosis Kokain bleibt gerade noch genug Platz, um seine Zeit in der Schule abzusitzen. So hoch fliegen wie die Stars, im reich beschmückten Federkleid Hollywoods High Society. Dafür arbeiten zu müssen, ist absurd; die Schönen und Reichen haben doch schon längst alles und davon viel zu viel. Eine kleine Prise weniger davon wird ihnen schon nicht schaden und uns zum American Dream verhelfen. Dass dies per Gesetz natürlich illegal ist, kümmert sie nicht, schließlich werden nur Wohnungen irrealer Schemen bestohlen, die im medialen Blitzlichtgewitter mittlerweile kaum mehr als abstrahierte Lifestyle-Symbole und keine echten Menschen mehr sind. Megan Fox, Rachel Bilson und Miranda Kerr? Das sind nur berühmte Namen – so nahbar und echt wie der Gott, zu dem man täglich betet.

Coppola gelingt es, die Dynamik innerhalb der Gruppe immer fließend von pubertärem Leichtsinn zu adoleszenter Schwermut umschwenken zu lassen und die jeweiligen Stimmungen nur in geringem Maße zu überzeichnen, sodass ihre Beweggründe und Ambitionen trotz all der Satire, die ihnen innewohnt, nur selten so lächerlich erscheinen, dass der Zuschauer das Interesse an ihnen verliert. Polohemd-Bilderbuch-Familien, niedliche Mini-Hunde und übergroße Einbauküchen dominieren das Bild ihrer fotographierten Überfluss-Gesellschaft – das ist natürlich plakativ, letztendlich aber erstaunlicherweise beinahe genau so unterhaltsam wie die neuesten Nachrichten der Boulevard-Presse, nach denen die Protagonisten lechzen. Die Kleptomanie als Zeichen des Triumphes über das unausgeglichene System Prominenz. Ein neues Mode-Accessoire, eine neue Trophäe. Unter den gebrochenen Händen liberaler Erziehungsmethodiken sind der Experimentierfreudigkeit der jungen Generation keine Grenzen gesetzt, die selbst noch nicht einmal genau zu wissen scheint, ob ihre Taten nun Hilfeschreie, kindliche Machtbeweise oder schlicht Symptome von Langeweile sind.

Die Idee ist soweit nicht schlecht, woran die Tochter der Regie-Legende Francis Ford Coppola aber letztlich scheitert, ist ihr Versuch, diese Neid- und Pubertäts-Thematik mit dem Lebensstil moderner Jugendlicher verknüpfen und damit erklären zu wollen. Dabei ist eine Szene stellvertretend für den gesamten Film: Durch ihren letzten Raubzug hat die Clique binnnen ein paar Stunden 5.000$ eingesammelt, welche sie sodann in cyber-hedonistischer Manier in einem Nobel-Club verprassen und sich dabei unentwegt selbst und gegenseitig für Facebook mit ihren Smartphones portraitieren. Dies geschieht schätzungsweise im 20-Sekunden-Takt und obwohl der Zuschauer bereits nach Foto Nummer 1 versteht, was uns Frau C. mitteilen möchte, entfesselt sie ein redundantes Tischfeuerwerk der Internet-Plattitüden und -Symbole. Ausschließlich der einzige männliche Protagonist Marc ist beispielsweise dazu in der Lage, das hochkomplexe System von Google-Maps zu verstehen und dadurch immer neue Opfer-Adressen herauszufinden. Nach der vierten, beinahe identisch dramaturgisierten Wiederholung eines Einbruchsdiebstahls könnte man gar vermuten, dass es sich dabei insgeheim um Füllmaterial handelt, damit die Film-Mindestlaufzeit von 90 Minuten erreicht werden kann.

So tritt „The Bling Ring“ dann bereits nach nur 40 Minuten nur noch ermüdend auf der Stelle und kann den satirischen Spitzen, welche stellenweise durchaus gelungen sind, ab einem gewissen Punkt nichts mehr hinzufügen. Das Jugend-Ensemble rund um Emma Watson, Katie Chang und Israel Broussard spielt giftig-überzeugend, wenngleich man sich durchaus fragen darf, wie weit sich die Jungschauspieler in Anbetracht ihres eigenen Wohlstands überhaupt in ihre Rollen hineinversetzen mussten. Tatsächlich ist man sich bis zum Schluss nie ganz sicher, ob Coppola die für eine Schwarze Komödie unbedingt notwendige Distanz zu der Thematik innewohnt – stets hat man das Gefühl, das perfide Faszinosum Traumfabrik habe auch sie ganz in ihren Bann gezogen. Als wäre sie selbst Opfer ihrer eigenen Geschichte geworden. In einem anderen Kontext wäre das sicherlich lobenswert, für eine Satire allerdings ist das geradezu tödlich.

 

5,0 / 10

Filmplakat

Bist Du immer so fröhlich?

Gloria: Ein Name, ein Körper, ein Lebensgefühl. Nach 57 Lebensjahren Jahren hat die alternde Chilenin bereits eine lange Ehe hinter sich und darf sich Großmutter rufen. Gefangen in einer Zeit des physischen Wandels, weder wirklich alt noch jung, muss sich Gloria entscheiden, was sie noch mit ihrem Leben anzufangen gedenkt.

Sinnliche Nahaufnahmen beherrschen das Bild. Die gesamte Geschichte wird aus der komplett subjektiven Sichtweise der charismatischen Protagonistin (Paulina Garcia) erzählt. Von ihren nächtlichen Ausgehversuchen zu lokalen Single-Parties und dem berauschenden Gefühl eines unbekannten Liebhabers. Unverhüllte Körper, die totale Demaskierung einer alternden Generation von ehemaligen Weltverbesserern und Romantikern. Lügen sind nicht gestattet in dieser durch und durch intimen Szenerie, denn sie haben schon viel zu lange unsere Leben vergiftet und aus Liebe Leid werden lassen.

Immer wieder beobachten wir Gloria, wie sie in ihrem Auto voller Inbrunst kitschige Songs über ewige Liebe, schmerzhafte Trennungen und das wahre Glück der Beziehung trällert. Aber trotz ihrer leidenschaftlichen Sangeskunst vertritt sie selbst die Aussagen ihrer favorisierten Lieder nur zu einem geringen Teil. Ihre Männer hat sie am liebsten gefügig und unkompliziert, auf eine weitere eintönige Beziehung hat sie sichtlich keine Lust. Alles, was jetzt noch eine Rolle spielt, sind Harmonie, Glück und Frieden; und idealerweise ein Mann, mit dem sie diese Momente teilen kann.

Auf diesen trifft sie bald in Form des sieben Jahre älteren Rodolfos, welcher ebenfalls Vater und geschieden ist und der charmant und zuvorkommend zunächst die Vorzüge einer Beziehung symbolisiert. Spätestens als seine zwei unselbständigen Kinder jedoch ins Spiel kommen, schwenkt die Stimmung ihrer Beziehung komplett um. Erneut tappt sie in einem verworrenen Netz der schmerzlichen Missverständnisse und Unwahrheiten. Schnell wird ihr bewusst, dass nur sie selbst sich aus dieser prekären Situation losreißen kann.

Sebastián Lelio (bekannt geworden durch sein Langspiel-Debut „La Sagrada Familia“) zeichnet das persönliche Portrait einer Frau, deren emanzipierter Lebensstil weniger aus persönlicher Überzeugung heraus entsteht, sondern aus vollkommen simpler Präferenz, aus Selbstschutz. So lässt sich dann auch die komische Ambivalenz zwischen ihrem kulturellen Hintergrund und den tatsächlichen Handlungen erklären, die im Publikum für den einen oder anderen Schmunzler sorgen dürfte. Der von Gloria ausgelebte Feminismus widersetzt sich klar (und unbewusst) einer reinen Existenz um seiner Existenz Willen, vielmehr erforscht Gloria – und mit ihr Lelio – eine ganz und gar pragmatische Unterform dieses großen Themas. Seine Heldin liebt das Leben, entdeckt auch noch in finsteren Stunden hell strahlende Hoffnungsschimmer, die es ihr trotz aller Widrigkeiten lebenswert machen. Dank medizinischer Fortschritte sind wir alle schon lange nicht mehr dazu verdammt, ab einem gewissen Alter den Großteil unserer Tage in der Wohnung und beim Arzt zu versauern. Wir sind dazu befähigt, unsere oft komplizierten Leben selbst in die Hand zu nehmen und auch den Spaß an der Liebe nicht gänzlich zu vergessen.

Sämtliche Figuren in „Gloria“ sind mit einer verhältnismäßig vielschichtigen Figurenzeichnung versehen, die sich auf neue Pfade fernab standardisierter Versatzstücke begibt – seine Charaktere sind lediglich Produkte ihrer Umwelt und Vergangenheit, vom Leben gezeichnet, aber selten davon gebrochen. Somit reiht sich „Gloria“ klar in die Reihe der Feel-Good-Movies ein, hält trotz all der verspielten Freude aber immer noch ernstere Untertöne und viel Weisheit parat, ohne sie dem Zuschauer allerdings allzu plakativ auf die Nase zu binden. Unsere Gesellschaft bräuchte mehr Filme wie diesen.

 

7,0 / 10

Filmplakat

Unsere Generation ist bereit dafür. Wir können es schaffen.

Der 34-Jährige Laurence ist Lehrer für Literatur, führt seit zwei Jahren ein bescheidenes, dafür aber umso glücklicheres Leben mit seiner Freundin Frédérique und wird von den Kollegen respektiert und geschätzt. Doch tief in ihm brodelt bereits lange der leidenschaftliche Drang nach der Veränderung, die eigentlich gar nicht erst nötig sein sollte.

Bereits seit 2009 gilt der aufstrebende Xavier Dolan als das Regie-Wunderkind des 21. Jahrhunderts, wurde sein erstes Werk – „I Killed My Mother“ – doch vielfach von der Kritik gefeiert und dem damals erst 20-jährigen Dolan, der bereits im Kindesalter als Schauspieler erste Filmerfahrung sammelte, eine vielversprechende Karriere attestiert. Mit „Laurence Anyways“ entwirft er ein ganz und gar homogenes Bildnis dieser oft nostalgisch verklärten 1990er-Jahre und verankert in ihnen eine allzu untypische Coming Out-Geschichte. Die Protagonisten im Zentrum der Geschichte, Laurence und Frédérique, gleichen zwei Himmelskörpern – Mars und Venus –, deren Anziehungskraft viele kleinere Planeten an sich binden, sie beeinflussen; deren (Lebens-)Bahnen sich immer und immer wieder kreuzen, bei denen eine Kollision alles bedeuten kann: vollkommenes Glück oder zerstörerisches Verderben.

Seine Definition von Liebe immer wieder zwischen körperlicher Leidenschaft und platonischer Seelenverwandtschaft definierend, widersetzt sich der in Montreal geborene Regisseur aufgrund des komplexen Kontextes klar einer herkömmlichen Lost and Reunited-Geschichte und biedert sich durch den beinahe vollständigen Verzicht auf biologische Details (inklusive voyeuristischem Geschlechtsverkehr) nicht der Sensationslust eines Durchschnittsrezipienten an. Die dadurch erzeugte ungezwungene Grundstimmung des Films lässt somit glücklicherweise sogar befreienden Humor zu, der jeder Figur die nötige Lebendigkeit einhaucht, die für ein Zeitportrait dieser Größenordnung unbedingt notwendig ist. Statt sich standardisierten und mittlerweile allzu drögen Emotionsmechanismen hinzugeben, konzentriert er seinen Fokus deutlich auf das kraftvolle soziale Kollidieren seiner Figuren und die damit einhergehenden Konsequenzen. Ihm gelingt es, die Gedanken und Gefühle einer vergangenen Zeit einzufangen und zu komprimieren, befasst sich weniger mit Laurence‘ Beweggründen als viel eher mit der Gesellschaft um ihn herum. Dass er es schafft, in diese bereits randvolle Geschichte noch Bürgertums- und Ehe-Kritik in Form von Satire einzuweben, ohne dass es überambitioniert erscheinen würde, ist in Anbetracht seines auch jetzt noch jungen Alters eine durch und durch überraschende Leistung.

Inmitten des energetischen Wirkens seiner Kamera findet Dolan immer wieder Momente der elegischen Ruhe, die er deutlich verspielt, erfreulicherweise jedoch nicht zu prätentiös mit sinnlicher Symbolik anreichert, um die Charaktere Augenblicke später erneut in einem Orkan der Gefühle aufeinanderprallen zu lassen. Musikalisch untermalt wird das ganze mit einer stimmungsvollen Mischung aus zeitgenössicher, moderner und klassischer Musik, welche das Gedankenspiel der antiquierten sexuellen Konventionen nur nochmals unterstreicht, mit dem „Laurence Anyways“ über die ganze Laufzeit kokettiert.

Er zeigt die Möglichkeit einer geschlechterlosen Liebe, ohne sie jedoch unreflektiert zu propagieren – spätestens jetzt hat Dolan die Phase der unbedarften Adoleszenz hinter sich gelassen, wodurch ihm ein erstaunlich reifes und unparteiisches Werk gelungen ist. Scheinbar spielend leicht meistert er die schwierige Gratwanderung zwischen Respekt und schmerzhafter Ehrlichkeit vor seinen Figuren, präsentiert sie als fehlerhafte, verletzliche Wesen. Unsere Mitmenschen bestimmen, ob wir akzeptiert werden oder als Aussätzige leben müssen, wenngleich wir in unserem Inneren doch alle gleich sind. Leider scheinen die Menschen auch dieser Tage noch nicht gänzlich bereit für sexuellen Nonkonformismus; womöglich werden sie es nie sein. Alles, was bleibt, ist die Akzeptanz gegenüber uns selbst. Und die Hoffnung, irgendwann das berauschende Wunder der bedingungslosen Liebe am eigenen Leib erfahren zu dürfen.

 

7,0 / 10

Filmplakat

Denke gut nach. Du kannst die Zeit nicht zurückdrehen.

Die südchinesische Stadt Foshan in den 1930er-Jahren. Strömender Regen, der einer Sintflut gleicht. Ein schwarz gekleideter Mann mit einem charmanten weißen Hut. Eine Gruppe formiert sich. Es kommt zum Kampf. Einer gegen alle. Schläge und Tritte prasseln nieder wie der Regen, der ihre Seelen reinwäscht. Holzwägen zerbersten, Knochen brechen. Parade, Konter, Sieg.

Wir begleiten den noch jungen Kung Fu-Anhänger Ip-Man (Tony Leung) bei seiner Mission, Wing Chun (so der ursprüngliche Name des Stils) auch über den Süden Chinas hinaus bei Kampfkünstlern zu etablieren. Damit dies jedoch ermöglicht werden kann, muss sich der aufstrebende Sportler zunächst einmal selbst einen Namen machen. Allmählich realisiert er, dass der nächste Wettkampf in Anbetracht der gegenwärten Situation seines Landes eine seiner geringeren Sorgen ist – Irrungen und Wirrungen, Krieg und Leidenschaft.

The Grandmaster“ handelt vom Generationenwechsel, von Schülern und Meistern, von Stolz, Prinzipien, Macht und Ergebenheit. Was würdest Du alles aufgeben, um Dein Ziel zu erreichen? Bedenke, dass Du Deine Vergangenheit womöglich für immer wirst hinter Dir lassen müssen.

Seit jeher zeichnet sich das Kino des Wong Kar-wai als formal experimentelles Emotionskino aus, welches die ganz subjektiven Nuancen der Gefühle auslotet und mithilfe universeller Sinnsprüche zu konkretisieren versucht. Im Gegensatz zu seinen unkonventionellen früheren Werken jedoch gibt er sich bei seiner jüngsten Arbeit gänzlich herkömmlichen Dramaturgie-Werkzeugen hin, die auf plumpe Kompetativ-Sequenzen setzen, ja, beinahe schon an mancher Stelle an einen beliebig-primitiven Prügelfilm gemahnen, was durch den stoisch-zurückhaltenden Gestus seines Protagonisten nur leidlich kaschiert werden kann. Währenddessen werden etliche Sub-Plots gesponnen, welche knapp den Werdegang anderer Kampfkünstler zur selben Zeit schildern sollen, deren einziger Verdienst allerdings die Stiftung überflüssiger Verwirrung hinsichtlich ihrer kruden Handlung ist. Oft verliert „The Grandmaster“ leider den nötigen Fokus, um die durchaus ereignisreichen Geschichten weiterhin spannend und nahbar zu gestalten, geriert sich aufgrund lediglich vager Andeutungen als erstaunlich emotionslos und unterkühlt, wodurch eine seltsame Diskrepanz zwischen diesem und den früheren Werken des in Hong Kong geborenen Asiaten entsteht.

Für Wong Kar-wai ist der berühmte Lehrer Bruce Lees kein bloßer Mensch, sondern ein abstrahiertes Symbol seiner Zeit, ein wehmütiges Plädoyer für den ungebrochenen Willen. Deshalb vermittelt er uns ebensowenig Gefühle wie er seinen stillen Hauptcharakter spüren lässt; die Distanz zu ihm ist so groß wie seine Distanz zu Mitmenschen. Trotz einer harmonischen Ehe verfolgt er nur dieses eine Ziel, für das er später alles wird aufgeben müssen. Um vom Menschen zur Legende zu werden.

Schade, letztendlich ist „The Grandmaster“ auch nicht mehr als eine dramaturgisch zähe Kampfsport-Show, die sich nicht so recht zwischen nostalgischem Biopic und kitschigem Over The Top-Martial-Arts-Kino entscheiden kann. Narrativ hauptsächlich genau wie solch ein reißerischer Schaukampf strukturiert, gegen dessen Mentalität sich die Protagonisten den ganzen Film über wehren. Zwischen experimentell-ästhetischer (Kampf-)Kunst und Show herrscht traurigerweise ein Vakuum, das auch die vielen zu beliebig wirkenden Fernost-Kalenderweisheiten nicht zu füllen imstande sind.

 

5,5 / 10

Gambit-Filmplakat

Der Mann ist ein hoffnungsloser Ignorant.

Harry Deane (Colin Firth) hat es satt. Keinen Tag länger will er für den Mann arbeiten, den er am allermeisten verabscheut. In einem Job, der für ihn gerade genug abwirft, um in seiner kleinen Erdgeschoss-Wohnung leidlich über die Runden zu kommen und nichts anderes zu tun als arbeiten zu müssen, während sein Vorgesetzter als einer der wohlhabendsten Männer Londons die Frucht von Harrys Arbeit erntet und ein dekadentes Leben in Saus und Braus führt. Die Falten auf seinem Gesicht werden prägnanter und er dadurch auch nicht gerade attraktiver, viele Freunde hat er nicht und das Glück will und will einfach nicht an seine Tür klopfen. Höchste Zeit, denkt er sich, sein Schicksal selbst in die Hand zu nehmen. Spontan trifft er den Entschluss, seinen Arbeitgeber, den berühmten Lord Lionel Shahbandar (Alan Rickman), illegalerweise um ein gehöriges Sümmchen zu erleichtern, indem er ihm ein gefälschtes Gemälde, welches ihm sein einziger Freund und Künstler, Major Wingate (charmant: Tom Courtenay), anzufertigen bereit ist, zu einem horrenden Preis als Original verkaufen will.

Und dort kommt schon die unbedarfte Texanerin P.J. Puznowski (Cameron Diaz) ins Spiel, die als Besitzerin des vorgeblichen Originals auftreten und den Verkaufspreis im besten Falle durch ihr aufreizendes Äußeres noch ein wenig in die Höhe treiben soll. Bombensicher erscheint der ganze Coup, aber dies wäre nicht Harrys Geschichte, würde nicht noch so einiges schiefgehen.

Der vom sichtlich unterforderten Firth einfühlsam verkörperte Deane stellt die archetypische Verlierer-Figur dar, die ihre eigenen Fehler auf andere (Feind-)Figuren projeziert, um einer möglicherweise schmerzhaften Reflexion zu entgehen, und diese somit unberechtigt für das persönliche Unglück verantwortlich macht, anstatt die Energie dahingehend zu verwenden, sich aus der eigenen Misere herauszukämpfen. Immer wieder, besonders am Anfang, erleben wir fließende, manipulative Wechsel der Erzählperspektive, wenn aus dem brutalen Industrielöwen und obszönen Nudisten Lionel Shahbandar ein zwar durchaus recht arroganter aber ebenso normaler Mensch wird, der gleichsam Bedürfnisse hat und längst nicht das Monster ist, zu dem ihm Harry gerne machen würde. All das tritt in Erscheinung durch die naive wie aufrichtige P.J. (recht passend und doch mitunter zu überzogen: Cameron Diaz), welche die Haupteigenschaften der heimlichen Kontrahenten – den Pragmatismus des reichen Geschäftsmannes und den naiven Pseudomoralismus des hart arbeitenden Mannes – homogen in sich vereint, karikiert und somit zumindest dem gebeutelten Harry mehr als einmal unbewusst den Spiegel vorhält. Hin- und hergerissen zwischen komfortabler sowie befriedigender Rache und der steinigen Suche nach dem Glück, stellt sich einem die Frage, welche Wahl man dabei wohl selbst treffen würde.

Trotz seiner ambitionierten Botschaft jedoch fühlt sich „Gambit“ leider über weite Strecken wie eine beliebige Slapstick-Komödie an, die inmitten eines altbackenen Versatzstück-Sammelsuriums so verzweifelt nach dem nächsten Lacher strebt wie ihr Protagonist nach seiner Vergeltung. Oft lässt sich anhand der zeitweise gelungenen Situationskomik zumindest erahnen, dass das Drehbuch aus der Feder der gefeierten Coen-Brüder stammt, wenngleich das humoristische Gesamtbild letztlich doch einen viel zu unpersönlichen Eindruck macht. Statt ausgeklügelter Pointen serviert uns der Regisseur Michael Hoffman antiquierte Kalauer, die in den meisten Momenten an klamaukige C-Komödien gemahnt und sich wie ein fast verdorbener Aufguss unnötiger Sujets dieses Genres anfühlt.

Schlussendlich gelingt es dem Film durch den unnötigen Einsatz seiner vorgeblich cleveren Doppelbödigkeit überdies, den eigenen Subtext, welcher als einziges Merkmal dem Werk gegenüber eine gewisse Sympathie zuließe, gänzlich zu demontieren. Eine Wendung, die ausschließlich dem reinen Selbstzweck dient und mehr zerstört als es zu heilen. Vielleicht hätten die Produzenten das Maß an pseudo-originärer Skurillität diesmal etwas herunterschrauben und die Komik weniger plump gestalten sollen, damit aus „Gambit“ mehr geworden wäre als nur eine vergessenswerte Hollywood-Komödie, die drei talentierte Schauspieler-Größen in ihrem Ensemble vereinen darf. Das größte Ärgernis an diesem Film ist tatsächlich sein enorm verschenktes Potenzial. Die Schluss-Pointe sollte nie derart markant gestaltet sein, dass sie die Oberhand über das filmische Konzept gewinnt, es am Ende womöglich sogar selbst ad absurdum führt – eine Regel, welche eigentlich jeder Regisseur beherrschen sollte, der nicht ausschließlich auf reißerische Twists setzt.

 

4,0 / 10

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My name’s Alan and I bought a giraffe! Oh, my life is perfect!

Nach dem geradezu desaströs ideenarmen Sequel der „Hangover“-Reihe war die Spannung groß, wie es nun weitergehen würde. Wäre Regisseur und Co-Autor Todd Phillips tatsächlich dreist genug, das längst viel zu oft kopierte Konzept nochmals zu kopieren? Glücklicherweise ist er das nicht. Aber fangen wir doch erstmal von vorne an:

Die drei Freunde Doug (Justin Bartha), Phil (Bradley Cooper) und Stu (Ed Helms) führen nach den turbulenten Eskapaden in Bangkok wieder ein gutbürgerliches Leben zwischen Beziehung und Arbeit. Stu ist immer noch glücklich mit seiner Frau Lauren verheiratet und der destruktive Chaot Mr. Chow (Ken Jeong) sitzt in einem thailändischen Hochsicherheitsgefängnis unschädlich hinter Gittern. Alles ist wieder gut, möchte man meinen, doch im Gegensatz zum Rest des „Wolfsrudels“ will es dem Exoten der Clique, Alan (Zach Galifianakis) partout nicht gelingen, sich wieder in ein normales, harmloses Leben einzugliedern. Als sein geliebter Vater (Jeffrey Tambor) dann nach einem tragikomischen Vorfall stirbt, ist für Stu, Doug und Phil schnell klar, dass sie Alan aus seiner Misere helfen müssen. Mittels einer therapierenden Kurfahrt, direkt in das grelle Herz der Finsternis, welches zugleich ihren gemeinsamen Ursprung darstellt: Las Vegas. Alles schreit danach, dass uns Phillips erneut eine weitere Variation des Erstling vor den Latz knallt, doch dann kommt plötzlich alles ganz anders…

Schon der erste leidlich durchdachte Versuch einer Witzpointe gibt den Grundtenor der folgenden 100 Minuten wieder. Größer, rasanter, brachialer – den Fokus ganz und gar auf Alan und Mr. Chow gerichtet. Während die drei anderen Freunde bereits in den ersten zwei Filmen eine tendenziell untergeordnete Rolle spielten, werden sie nun gänzlich zu belanglosen Nebencharakteren degradiert, deren einziger Sinn es ist, mit dem absurden Verhalten der beiden Witzlieferanten zu interagieren und somit vermeintlich humorvolle Situationen zu kreieren. Da dies jedoch mit hemmungsloser Offensichtlichkeit und thematischer Monotonie vonstatten geht, fragt sich der Zuschauer schnell, wie er mit dem Film umgehen soll. Stets wirkt es so, als wisse Phillips selbst überhaupt nicht, wohin sein Film führen soll. So wird aus „Hangover 3“ ein kruder Genre-Mix zwischen Heist-Movie, absurder Coming-of-Age-Geschichte und Resozialisierungsdrama, dessen Langatmigkeit noch eines der geringeren Übel ist. Wie eine wirre Posse, deren zusammenhanglose Sketche mittels vorgeblich spektakulären Action-Sequenzen verknüpft werden sollen (was dem Film natürlich in den seltensten Fällen gelingt), torkelt er so ziellos wie seine Figuren von Verfolgungsjagd zu Sex-Witz zu Verfolgungsjagd.

Hinzu kommt traurigerweise, dass der ausgesprochen konservative und überdies geradezu heuchlerische Subtext, den die meisten modernen US-Komödien in jüngerer Zeit regelrecht zelebrieren, in „Hangover 3“ offensichtlich und anscheinend sogar mit stolzer Miene ausgestellt wird. Der Großteil seiner Gags basiert auf skurrilen Situationen, die durch Alans und Chows ausgelebte Bisexualität und deren künstlich aufgebauschten asozialen Neigungen zustande kommen, womit sich der Film also größtenteils peinlichen Schwulen-Witzchen hingibt, anstatt kreative Situationskomik zu erfinden.

Das große Thema der Reihe war und ist seither die vermeintlich komische Konfliktsituation zwischen dem wilden Zelebrieren animalischer Instinkte in Form von ausgelassenem Spaß (die Trips nach Bangkok und Las Vegas) und der anschließenden wehmütigen Rückkehr in die gesellschaftliche Norm und das Bildungsbürgertum. Teil eins und zwei waren dramaturgisch in dieser Hinsicht bereits äußerst verlogen, weil sie in ihrer strikten Schwarz-Weiß-Malerei die Natur des Menschen ungerechterweise verdammten und ihre Protagonisten schlussendlich wieder in das strenge Korsett ihrer Pflichten zwangen und dies zudem als Happy End präsentierten. Phillips‘ Charaktere stellen also Opfer ihrer eigenen Lust dar, deren „abartige Neigungen“ es schleunigst zu unterbinden gilt, sie zum wenigsten eine Lektion aus ihren allzu verwerflichen Eskapaden lernen müssen, damit die heilige Institution Familie (und mit ihr zusammen Arbeit, Kapitalismus, Wirtschaft) nicht gefährdet wird. Dass die Klischee-Beziehungen und das eintönige Leben, welches die Figuren führen, freiheitsberaubend oder gar schädlich für sie sein könnten, das ist natürlich ausgeschlossen.

Entgegen sämtlicher Befürchtungen gestaltet „Hangover 3“ dementsprechend storytechnisch immerhin seine schon bröckelnde Fassade neu, ohne jedoch konzeptionelle Änderungen im Inneren vorzunehmen oder etwas am erfolgsbewährten Dödel-Humor zu verändern. Inmitten halbgarer Action-Szenen, welche zum Teil erschreckend ernst daherkommen, und lauen Galifianakis-Chow-Späßchen stellt der letzte Teil den mangelhaften Abschluss dieser stets belanglosen Flachwitz-Trilogie dar. „Willst Du normal sein oder glücklich?“ Schöpfer Todd Phillips beantwortet uns diese Frage so, als käme er direkt aus einer längst vergangenen Zeit. So etwas gehört sich nicht für einen Komödien-Regisseur, der idealerweise der Subversion von bestehenden Normen frönen sollte.

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Filmplakat

Flood our souls with your spirit and life so completely that our lives may only be a reflection of yours. Shine through us.

Terrence Malicks „To The Wonder“ ist in kinematographischer Hinsicht der konsequentere „The Tree of Life“. Wo im vorherigen Werk die Brücke zwischen persönlichem Familiendrama und dem Großen Ganzen omnipräsent war, wird bei dem 2013 in den deutschen Kinos erscheinenden Film beinahe gänzlich darauf verzichtet. Narrativ sehr fragmentarisch und visuell höchst assoziativ gestaltet, scheint Malick nun endgültig die Entwicklung weg von der klassischen Narration und hin zur naturellen Abstraktion abgeschlossen zu haben. Sinnliche, vielfältige und -schichtige Symbolik verschmilzt mit den Erlebnissen der vortrefflich besetzten Schauspieler und kreiert ein Kino des Universalismus, das in seiner Aussage durch die Verwendung ausschließlich archetypischer Charaktere nochmals verstärkt wird.

Sie ist das fließende, sich anschmiegende Wasser, er der stoische Fels, der beinahe in ihrer überwältigenden Leidenschaft untergeht. Nur auf der wundersamen Insel Mont Saint-Michel, die beide Elemente harmonisch miteinander vereint und einen Moment repräsentiert, der so bezaubernd ist, dass er losgelöst von Zeit und Raum existiert, erfahren sie das Wunder des wahren Glückes. Die Liebe ist in der Lage zu beflügeln, Dich zu verzehren, Dich in die Verzweiflung zu treiben. Brauchen wir die Liebe überhaupt?

Selbstverständlich mutet diese tendenziell simplere Thematik nach einem solch überwältigenden und ambitionierten Film wie „The Tree of Life“ minimalistisch an, aber dadurch wird ihm sogleich nochmals ein wesentlich persönlicherer Charakter verliehen. Unterstützt wird der besagte Universalismus durch die schablonenhaften Figuren, dessen Intentionen wir nur selten erfahren. Keine Frage: Bei Terrence Malicks jüngster Arbeit handelt es sich erneut um ein Werk, das seiner Radikalität wegen eine höchst subjektive Rezeption evoziert; selbst sein Ende ließe sich verschieden deuten. „To The Wonder“ ist ein bewegender Rausch, dem es gelingt, auch ohne klassische Manipulationsmechanismen intensive, ganz differenzierte Emotionen zu beschwören. Wie eine rührende Erinnerung an den vielleicht schönsten Tag des eigenen Lebens. Trotz aller Widrigkeiten überlebt die ideelle Vorstellung der blühenden roten Rose im eisigsten Winter. Auch Terrence Malick ist nur ein Mensch mit Träumen. Wie wir alle.

7,0/10